Antrag eines Blackout-Notfallplan

Sehr geehrter Herr Stadtverordnetenvorsteher, meine Damen und Herren!

Nie zuvor war es so einfach, einen Antrag zu begründen wie den vorliegenden der FDP, mit dem der Magistrat beauftragt werden soll, einen Blackout-Notfallplan für das Gebiet der Stadt Groß-Umstadt zu erstellen. Denn bei der Vorberatung im HuF am vergangenen Donnerstag haben alle Fraktionen, angeführt von der SPD, der sich zuerst die BVG, dann die Grünen und zuletzt die CDU anschlossen, betont, wie wichtig und wie gut sie diesen Antrag fänden – Letzteres ein Lob, für das ich mich ausdrücklich bedanken will, denn mit so positiver Rückmeldung wurde die FDP in den vergangenen Jahren nicht gerade überhäuft!

Aber der Wahrheit die Ehre, jeder weiß, dass solche fachbezogenen Anträge ohne überregionale parteiinterne Beratung nicht möglich sind, und so will ich mich hier nicht mit fremden Federn schmücken, wohl aber das Verdienst der Antragstellung zum jetzigen Zeitpunkt auf die Fahne der Groß-Umstädter FDP schreiben. Und so will ich im Folgenden begründen, warum es wichtig ist, diesen Notfallplan jetzt zu beschließen, bevor ich mich der im HuF aufgeworfenen Frage zuwende, ob man ihn denn überhaupt beschließen müsse.

1.
Zuständig für den Katastrophenfall ist der Landkreis. Deshalb war es auch nicht verwunderlich, dass der Landrat in der Klausurtagung des Kreisausschuss` am 2. November dieses Thema auf die TO gesetzt hatte, habe es doch noch im Frühjahr geheißen, ein Stromausfall durch die Gasmangellage bzw. durch einen Cyberangriff sei zwar jederzeit möglich, aber unwahrscheinlich, während man nach den Erfahrungen des Ukraine-Krieges inzwischen von einer zunehmenden Wahrscheinlichkeit ausgehe. Vor allem den Älteren sei noch im Gedächtnis, wie verwundbar unsere hochtechnisierte Zivilisation sei, erinnere man sich doch an die Schneekatastrophe von 1978, als die Schneemassen ganz Norddeutschland, ja, ganz Mitteleuropa außer Gefecht setzten, denn Stromausfall sei kein regionales, ja, kein nationales, sondern immer ein internationales Szenario.

Am Montagabend hat in einem EnergieForum der Darmstädter Hochschule die Vorstandsvorsitzende der ENTEGA, Frau Dr. Wolf, die seit Frühjahr auch die Bundesvorsitzende der … ist und in dieser Eigenschaft das Wirtschaftsministerium berät, berichtet, dass sie selbst mit Minister Habeck in Norwegen gewesen sei, um die verloren gegangenen 55 % Gaslieferung aus Russland durch norwegisches Gas zu ersetzen, was auch gelungen sei, denn zurzeit kämen 40 % unseres Gases aus Norwegen, weiteres aus den Niederlanden, aber niemand könne sicher sein, dass nicht auch die norwegische Ostseepipeline von Sabotage betroffen würde, wie es Anfang des Jahres die russische war und zudem müsse Deutschland zurzeit Strom an Frankreich liefern, da dort die Hälfte aller Atomkraftwerke außer Betrieb sei, woran man die große europäische Verflechtung ablesen könne.

Kurz: Die Wahrscheinlichkeit eines durch Gasmangel bewirkten Stromausfalls ist in diesem Winter besonders hoch.

2.
Dabei ist es der FDP besonders wichtig, zu verhindern, dass durch die sekundenschnelle und oft populistisch angeheizte Kommunikation in den Medien eine falsch oder halb informierte Bevölkerung zu unüberlegtem, unangemessenem, ja, panikartigem Verhalten verführt werden könnte, die die Beherrschung der Mangellage erschweren könnte – deshalb der Auftrag, die Bevölkerung „in geeigneter Weise“ darüber aufzuklären, „welche Maßnahmen eigenverantwortlich zur Sicherstellung der eigenen Versorgung z. B. mit Lebensmitteln, Wasser und Medikamenten ergriffen werden sollten“. Die FDP hat in der laufenden Klimakrise immer wieder betont, dass Angst ein schlechter Ratgeber ist und dass Besonnenheit Not tut. Besonnen reagieren kann ich aber nur, wenn ich seriös über das mögliche mich betreffende Ausmaß einer Notlage informiert bin und weiß, was ich tun bzw. lassen soll. Nicht ohne Grund betonte der Landrat auf der KA-Klausur, dass es nicht ums Dramatisieren gehe, sondern um eine Sensibilisierung der Bevölkerung. Niemand rechne mit einem längeren Totalausfall, für 72 Stunden sei ohnehin vorgesorgt, aber selbst nach einem Cyberangriff könne es bis zu einer Woche dauern, bis alle Funktionen der Infrastruktur wiederhergestellt seien – und acht Tage ohne Strom, meine Damen und Herren, das stellt schon eine echte Herausforderung dar. Leider muss man auch davon ausgehen, dass viele nicht richtig über die Konsequenzen eines Stromausfalls informiert sind, z. B. dass Heizungen Strom brauchen, dass Photovoltaik-Anlagen Zugang zu einem funktionierenden Stromnetz brauchen, dass Notstromaggregate Treibstoff brauchen, aber keine Tankstelle funktioniert, keine Supermarktkasse und –tür, kein Geldautomat, ganz zu schweigen von Aufzügen in Gebäuden mit 40 Etagen, ein Problem, das uns Umstädtern weniger auf den Nägeln brennt. Aber da auch die Trinkwasserversorgung betroffen sein wird, muss bevorratetes Wasser nach wenigen Tagen abgekocht werden, um nicht gesundheitsgefährdend zu sein, was  vor allem für Haushalte mit Kleinkindern und Alten ein Problem werden könnte.

Kurz: Die Bevölkerung muss rechtzeitig erfahren, wieviel Wasser, Treibstoff, Brennmaterial, Konserven, Bargeld jeder vorrätig haben sollte – nicht weil die Apokalypse bevorsteht, sondern weil auch drei Tage ohne Strom „ungemütlich“ werden könnten.

3.
Obwohl das alles so ist, gab der HuF die Beschlussempfehlung ab, den Antrag der FDP zurückzuweisen, nachdem ihn der Ausschuss selbst mit 5 zu 3 Stimmen bei einer Enthaltung abgelehnt hatte. Die SPD begründete die Ablehnung damit, ein solcher Notfallplan sei seit Längerem in Arbeit, Magistrat und weitere zuständige Gremien seien regelmäßig und hinlänglich gut darüber informiert, der Antrag sei vielleicht vor zwei Monaten noch spruchreif gewesen, jetzt aber obsolet. Lediglich die CDU stimmte trotz dieses Umstandes dafür, weil die Sache selbst zu wichtig sei, um sie nicht noch einmal zu betonen, auch wenn die Arbeit an einem Notfallplan längst begonnen habe.

Meine Damen und Herren, als Fraktionsvorsitzende sind mir nicht nur die Sitzungen aller Gremien, sondern auch deren Protokolle zugänglich und ich lese jedes gewissenhaft, was die Verwaltung bestätigen mag, weil ich nicht selten, Rückmeldungen gebe. In keinem dieser Papiere ist auch nur das geringste Wort über einen in Arbeit befindlichen Blackout-Notfallplan zu finden gewesen. Im Gegenteil, in zwei Magistratssitzungen des laufenden Monats hat der Stadtrat der FDP nach diesem bzw. dem Stand der Arbeit gefragt – eine Auskunft wurde nicht protokolliert. Und ausgerechnet im Protokoll des Umstädter Ortsbeirats vom 21.11., also vom Montag dieser Woche, findet man unter „TOP 3 Bericht aus dem Magistrat“ die Bemerkung: „Energienotstand: Aktuell werden die Black-Out-Pläne überarbeitet.“ Gerne würde ich bei der Gelegenheit die anwesenden Stadträtinnen und Stadträte fragen, ob sie denn die geltenden Pläne kennen und was gerade aktualisiert wird, aber die haben ja kein Rederecht im Parlament.

Deshalb frage den Bürgermeister ganz direkt, wann denn noch in diesem Winter – immerhin beginnt in der nächsten Woche der Dezember! – die Bevölkerung informiert werden soll? In welcher Abteilung hängt er denn fest, der Notfallplan, den der Landrat angeblich mit seinen Bürgermeistern vorausschauend erarbeitet hat! Auf der gestrigen DV der Bürgermeister tauchte er jedenfalls trotz einer TO von 15 Punkten nicht mehr auf!

Mit zwei letzten kurzen Bemerkungen möchte ich meinen langen Redebeitrag beenden: Gab es überhaupt schon mal einen Antrag zu einem Thema oder Vorgang, der nicht schon irgendwie als Handlungsbedarf erkannt und/ oder auf der Agenda der Verwaltung stand? Wenn das das Kriterium für die Ablehnung von Anträgen wird, können wir uns die in Zukunft alle sparen, schließlich saugen sich die Fraktionen ja nicht irgendwelche belanglosen und weltfremden Dinge aus den Fingern.

Und zweitens: Was wichtig ist und priorisiert erledigt werden sollte, also die Vorgaben für die Verwaltung, die formuliert immer noch das Parlament. Die Beschlüsse darüber für unnötig zu erklären, heißt,  die Befugnisse des Parlaments einschränken. Dann brauchen wir am 2. Februar auch keinen Haushalt zu beschließen, denn auch über dessen Inhalt sind wir hinlänglich informiert und die Verwaltung kann das Geld für ihre (Pflicht)Aufgaben auch ohne den Beschluss der Legislative ausgeben. Nur das Parlament, der Souverän, kann Beschlüsse verbindlich machen und die Erarbeitung bzw. rechtzeitige Veröffentlichung eines Notfallplans braucht Verbindlichkeit.

Versorgungssicherheit ist kein Nice-to-have! 

Anfrage zum Stand der des Blackout-Notfallplan

Sehr geehrter Herr Bürgermeister Kirch,

die FDP-Fraktion Groß-Umstadt bittet Sie, nachfolgende Anfrage in der Stadtverordnetenversammlung vom 16.12.22 zu beantworten:
Anfrage:

  1.  Ist beabsichtigt, den auf Groß-Umstadt bezogenen Blackout-Notfallplan dem Parlament zur Kenntnis zu geben?
    Wenn ja, wann wird das geschehen? Wenn nein, warum nicht?
  2. Wann und in welcher Weise soll die Bevölkerung über den Plan und die sie betreffenden Vorkehrungen unterrichtet werden?
  3.  

Begründung:
In der StvV vom 24.11.22 wurde der Antrag der FDP, einen Blackout-Notfallplan zu erstellen, u.a. mit zwei, sich widersprechenden Begründungen zurückgewiesen:

  1. Man wolle die Verwaltung nicht mit immer neuen Arbeitsaufträgen belasten.
  2. Der Antrag sei überflüssig, weil der Notfallplan so gut wie fertig sei.

Wenn Letzteres der Fall ist, kann der Plan jetzt, wo der Haushalt eingebracht ist, sicher umgehend ganz fertiggestellt werden. Da der Winter bevorsteht und auch Feiertage kommen, an denen die Kommunikation mit der Behörde ohnehin erschwert ist, bittet die FDP, den Zeitpunkt der Fertigstellung zu konkretisieren.

In der Kommune Pfungstadt wird noch vor Weihnachten eine ganzseitige Infoseite in der Presse erscheinen. Angeblich ist Pfungstadt auch die einzige Kommune im Landkreis, deren Sirenen so modernisiert sind, dass sie auch Durchsagen an die Bevölkerung machen können und die beim Ausfall des Telefon- bzw. Handy-Netzes einen Richtfunk/ Telekommunikationsdienst eingerichtet hat, durch den die Zuständigen ihren Verpflichtungen nach dem Hessischem Brand- und Katastrophenschutzgesetz nachkommen können.

Im benachbarten Bundesland Bayern hat die Stadt Miltenberg die Bevölkerung durch Verteilung eines Flyers in den Briefkästen über das Notwendige informiert.

Dr. Margarete Sauer
Fraktionsvorsitzende