Entwurf für eine Grundsatzdiskussion der FDP OV Groß-Umstadt

18.05.2025

Überlegungen zum Liberalismus 2025

Entwurf für eine Grundsatzdiskussion / OV Groß-Umstadt

Am 23.Februar 2025 schied der organisierte Liberalismus in Deutschland zum zweiten Mal in der Nachkriegsgeschichte aus dem Deutschen Bundestag aus. Schuld daran war sicherlich das Festhalten an der bislang in der deutschen Politikgeschichte einmaligen Ampel-Koalition von SPD/Grünen und FDP trotz des Haushaltsurteils des Bundesverfassungsgerichtes, das dieser Koalition die finanzielle Vereinbarungs-Grundlage entzog. Aber es gab auch hausgemachte Fehler, einen überforderten Generalsekretär und eine uneinige Bundestagsfraktion. Die FDP sollte sich in Zukunft wieder auf ihre eigenständige Grundüberzeugung konzentrieren. Es darf kein Zweifel daran aufkommen, dass die Partei der Eigenverantwortung das grundsätzliche Verhältnis von Staat und Individuum im Allgemeinen richtig löst. Der Mensch ist seiner Natur nach und durch Bildung fähig, seine Angelegenheiten im Rahmen allgemeiner Regeln mit seinen Mitmenschen auf Augenhöhe zu erledigen. Er braucht dazu weder den allmächtigen Sozialingenieur, noch den alles lenkenden Leviathan, um seinen Weg des Strebens nach Glück mit Anstand zu gehen.

Entziehen muss sich die FDP zukünftig dem Links-Rechts –Schema. Dieser Spaltpilz wurde seit dem 19. Jahrhundert immer wieder in die liberale Bewegung hineingetragen. Die Gründungsidee nach dem 2. Weltkrieg war der Gegenentwurf. Statt Deutsche Demokratische Partei (DDP) und Deutsche Volkspartei (DVP) nur noch eine liberale Partei für alle Liberalen. Es darf nie wieder heißen: „Die FDP, das sind ja zwei Parteien und man weiß nicht, welche man nach einer Wahl bekommt“. Wenn das gelingt, wenn die Kernbotschaft des Liberalismus auf allen Ebenen einig überzeugend nach außen getragen wird, dann muss einem um die FDP nicht bange sein. Dazu die nachfolgenden Gedanken.

Die FDP als einzige deutsche Alternative

1) Freiheit bedeutet nicht nur, sich aus den Fesseln von Gewalt und Unterdrückung zu lösen, sondern auch frei von über sein Schicksal bestimmen, Chancen wahrnehmen zu dürfen. Darüber besteht aber kein Konsens in der intellektuellen Welt. Sozialisten aller Schattierungen halten staatliche Eingriffe in das Leben von Menschen für freiheitsfördernd (Neue Sprache gegen die Vorherrschaft des Mannes, vulgärer Feminismus, offene Grenzen für alle und jeden, Bürgergeld für alle, Sozialhilfestaat statt Sozialstaat, Produktionsvorschiften für die richtige Ernährung, Klima-Weltrettung als historisch-moralische Aufgabe). Das Fatale daran ist, dass sie diese im Namen der Demokratie verkaufen. Nur wer ihre Regulierungen akzeptiert, ist Demokrat. Nicht die offene, freilich regelgebundene Gesellschaft, sondern eine Gesellschaft gleicher Gesinnung gilt als das korrekte Weltbild. Damit stellen sie die demokratische Rechts- und Staatsidee der liberalen Aufklärung auf den Kopf. Sie wollen Freiheit aus der Gleichheit ableiten, nicht die Gleichheit aus der Freiheit. Den Vorrang der Gleichheit braucht man nicht, weil wir alle gleich wären. Weil wir es eben nicht sind, braucht die Freiheit den Vorrang,  die Gleichheit der staatsbürgerlichen Rechte herstellen zu können.  Das Eintreten derer, die sich auf diesen Vorrang der Freiheit berufen, wird jedoch als Bedrohung der Demokratie gebrandmarkt. Parlamentarische Entscheidungen werden nur mit dem Siegel der Unbedenklichkeit des Zeitgeistes als demokratisch angesehen. Dass mit dieser Rechthaberei der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat in Gefahr gerät, kommt den Gleichgesinnungsaposteln nicht in den Sinn. Die individuelle Freiheit als Voraussetzung für die Produktivität und Innovationskraft einer Gesellschaft –  die gewöhnliche Menschen dazu bringt, für ihre Mitmenschen Ungewöhnliches zu leisten –  Eigentumsrechte und Vertragsfreiheit werden einem moralisierenden Konformitätsdruck ausgesetzt. Ihn gilt es zu entlarven, denn Eigennutz und Gemeinnutz müssen Hand in Hand gehen. Kein Unternehmen wird überleben, wenn es seine Kunden, Mitarbeiter und Ressourcen rücksichtslos ausbeutet und umgekehrt wird eine Gesellschaft ihren Wohlstand verlieren, wenn sie ihren Unternehmern den Freiraum nimmt.

2) Freiheit des Liberalismus heißt nicht Schrankenlosigkeit in Tun und Lassen wie es gerade gewollt wird und einfällt. Die Freiheit des Einzelnen, die Wahrung des Einzelinteresses endet dort, wo die Freiheit eines Anderen eingeschränkt wird. (Französische „Erklärung der Menschenrechte“ von 1789: „Alles tun können, was einen anderen nicht schädigt“). Anders ist anständiges Miteinander nicht denkbar. Das bedeutet auch eine Rücksichtnahme auf die Interessen der Allgemeinheit, mit denen es allen besser gehen würde. Diese drohen durch eine rücksichtslose Wahrnehmung von Freiheit aus dem Blick zu geraten. Links- und rechtsideologisches Denken hat es geschafft, die Förderung des allgemeinen Interesses durch bürokratische Finessen zugunsten von Einzelinteressen (Mensch, Tier, Natur) fast vollständig zu blockieren. Spezielle Interessen wahrenden Ämtern wurde eine Eingriffsmacht zugestanden, die das Gesamtinteresse unberücksichtigt lassen kann. Verbände, die nur ihren eigenen Interessen verpflichtet sind, dürfen mit Hilfe von Abgeordneten und – getarnt als „Träger öffentlicher Belange“ – an der Ausgestaltung allgemeinverbindlicher Regulierungen mitwirken und sind natürlich vor allen daran interessiert, durch Aufbau bürokratischer Hürden ihre ideologischen, vor allem aber finanziellen Pfründe und Einflussmöglichkeiten zu sichern und  Verantwortlichkeit abzuwehren. Der Wahn von angeblich nützlichen Zertifizierungen, spezielle Zulassungen für Kranken- und andere Transporte, exorbitante Kosten für den Erwerb eines Kfz-Führerscheins, die Vorrangstellung von DIN-Normen-  sind so zu erklären. Aber im Namen der Freiheit demokratische Freiheiten einzuschränken ist sehr heikel. Ein liberal geprägter Staat muss die Stärke haben, sich vom Einfluss der Massen (Populismus der Verbände, Organisationen) freizuhalten. Immer, wenn sich Interessengruppen –  wie es beispielhaft bei der AfD zu beobachten ist, aber schon bei der Nazi-SA  probat war- zur Durchsetzung ihres Einflusses als Verfechter der wahren Demokratie aufgespielt haben, ist es für den liberalen Rechtstaat gefährlich geworden.  

3) Freiheitliche Demokratie kann auch durch einen für- und vorsorgenden Staat bedroht werden. In Deutschland gibt der Staat bereits mehr als ein Drittel des Bruttoinlandsproduktes für soziale Zwecke aus, darunter leistungsloses Bürgergeld. Dieser Anteil wird nach dem Ende der Schuldenbremse rapide Fahrt aufnehmen. Neue Schulden führen nicht nur zu zusätzlichen Zinsen in den Folgejahren und erhöhen damit die Deckungslücke, sie bewirken ja auch die Erhöhung der Zinsen für Altschulden. Der Kapitalmarkt „bestraft“ die weitere Verschuldung mit höheren Zinsen und Herabstufung der Kreditwürdigkeit. Zinsen werden so mit Zinsen finanziert – eine Zinsspirale mit möglicherweise katastrophalen Folgen. Der Staat muss immer mehr Geld hereinholen, um Probleme zuzukleistern, das Wahlvolk besänftigen und unproduktive Kosten begleichen zu können). Aber ein demokratischer Staat muss  mittel- und langfristig seine Ausgaben mit laufenden Einnahmen finanzieren, sonst geht ihm auch international die gestaltende Leistungskraft verloren.

Der staatsgläubig aufgeplusterte Staat verteilt planwirtschaftsartige Subventionen und alimentiert mit vollen Händen. Selbst Nichtregierungs-Organisationen (NGO`s) und Bürgerinitiativen können kassieren und sind Nutznieser. Eine Verweigerung oder gar Rückführung wird als antidemokratisch gegeißelt und staatsgläubigen Parteien fehlt die Kraft für verweigernde und rücknehmende Reformen.

Damit wird klar: Staatsziel bei Sozialisten und Konservativen ist die Machtsicherung ihrer Regentschaft durch Wohlfahrtsvergabe. Mit Verfügungsgewalt über gesetzlich ungebremste  Mittel können die Regierenden Bürger und Institutionen mit immer neuen Auflagen zu ihren Gunsten regulieren. Der rechtfertigende Vorwand, damit die Demokratie gegen  Verlockungen von Revolution und Reaktion abzusichern fällt spätestens dann in sich zusammen, wenn der Kapitalmarkt die Auswüchse des Wohlfahrtsystems in Frage stellt.

Demgegenüber scheinen Liberale mit ihren Argumenten von Schuldenbremse, Finanzdisziplin, Deregulierung und Steuerabbau zwischen allen Stühlen zu sitzen. Der liberale, machtbegrenzte Staat der Aufklärung – mit Gewaltenteilung, Pressefreiheit, Rechtsstaat, Wettbewerb und offenen Märkten als Friedensordnung – droht im modernen Versorgungsstaat aufzugehen. Um dem entgegen zu treten, ist die FDP die einzige und eigentliche Alternative für Deutschland. Nennen wir sie ‚Alternative für Marktwirtschaft‘.

Es gibt neben ihr nur staatsgläubige Parteien, von denen keine der liberalen Maxime folgt: Ohne soziale Marktwirtschaft keine Demokratie. Die neue Feindseligkeit gegen die Demokratie, die in ihrer Abwägung verschiedener Ziele zu langsam bei der Bewältigung des Klimawandels sein könnte, leugnet und verkennt vollständig die Erfahrung der letzten Jahrhunderte, dass die Marktwirtschaft in ständig angepasstem Rahmen immer der beste Mechanismus für Problemlösungen war. Planwirtschaft war und ist der falsche Weg.

Für staatsgläubige Parteien ist vorrangig: Freiheit durch Wohlfahrt. Sie haben die Bürger daran gewöhnt, soziale Leistungsempfänger zu sein und das als „Freiheit“ zu begreifen. ‚Mir und meinen Interessen muss es gut gehen, sonst muss der Staat ran.‘ Die steigenden Kosten eines solchen Nanny-Sozialstaates sind dann nur planwirtschaftlich in den Griff zu bekommen. Man kann nicht an allen Schrauben einer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (Wachstum, Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität, außenwirtschaftliches Gleichgewicht) gleichzeitig drehen. Eine vorzuziehen bedeutet die anderen zurückziehen, es sei denn, man will die jede Demokratie  gefährdende und unsozialste aller Erscheinungen heraufbeschwören: Die anti-freiheitliche Inflation.  Planwirtschaftliches Regieren geht nun einmal nicht ohne Einschränkung bürgerlicher Freiheiten.

Noch eine Chance für die Liberalen

4) So hat Karl-Herrmann Flach, der erste Generalsekretär der FDP Ende der 60-er Jahre des Vorjahrhunderts in den Aufruf an seine Partei des Liberalismus betitelt. Wenn Umverteilung zum Wirkprinzip sozialer Gerechtigkeit avanciert, konstatierte er, setzt ein Wettbewerb aller gegen alle ein. Jeder hat Angst, zu kurz zu kommen. Von Wohltaten verteilen wollenden Politikern kräftig gefördert, bringt der Sozialstaat damit am Ende jene Ellenbogen-Gesellschaft hervor, die zu schleifen er vorgibt.

Der Sozialstaat erträumt die Utopie des Schlaraffenlandes. Für Liberale soll da kein Platz sein. Dem müsste die FDP energisch entgegentreten. Der Moralismus eines solchen Sozialstaates macht süchtig und verdirbt den Charakter, nicht der Liberalismus, den die Staatsgläubigen gerne mit der Silbe „Neo“ zu diskreditieren suchen.

Der FDP darf das liberale Grundwasser nicht abgehen, das unterhalb aller politischen Strömungen ruht. Rückbau staatlicher Aufgaben, Haushaltskonsolidierung, weniger Staatswirtschaft, Abbau von Regulierungen und Bürokratie, Steuersenkungen, mehr Markt und Eigenverantwortung in den sozialen Sicherungssystemen müssen positiv als Alleinstellungsmerkmal vertreten werden. Der vernebelte Begriff „Freiheit“ verdient die ständige Verdeutlichung durch einen dazu fähigen Generalsekretär.

Die FDP war immer eine Minderheitspartei. Der Zuspruch für den Liberalismus hielt sich in Deutschland stets in Grenzen – zum Teil auch aus eigenem Verschulden. Aber ihr Mitwirken im politischen Betrieb, die bisweilen harte Durchsetzung ihrer Grundüberzeugung, hat Wohlstand für alle gefördert, die Regeln demokratische Zuverlässigkeit und Frieden bewahrt, die Wiedervereinigung entscheidend voran gebracht und radikale Einflussnahme verhindert.

Die liberale Offenheit, die eine eigene Lebensgestaltung und das wohlstandsfördernde Spiel von Handel und Tausch. Angebot und Nachfrage einem Raum von Wettbewerb übereignet, behagt nicht unbedingt jedem Bürger. Die Zumutung einer freien Gestaltung des Lebens  ist nicht jedermanns Sache, schon gar nicht, wenn dem Staat dadurch ein gewisses Maß an Abstinenz verordnet werden soll. Da hat es der Antiliberalismus leicht, kübelweise staatsbürgerliche Moral auszuschütten mit für den Bürger positiv verständlichem Inhalt.

Liberale müssen noch stärker darauf verweisen, welchen Freiheits- und Wohlstandsgewinn Europa durch die Aufklärung erfahren hat und dass es Pfiff dieser Aufklärung war, Privilegien zu schleifen und den Fähigen das Recht zu geben, die Reichen zu entmachten. Sich vor allem als Mehrheitsbeschaffer, und als „Bremser am Fahrzeug“ zu stilisieren stellt keine Alternative zum wohlfahrtsstaatlichen Sozialismus dar, in dem sich Konservative und Sozialdemokraten nahe stehen.  Gelingt es, die begründete Abwägung dazu positiv zu  verdeutlichen,  wird der in der FDP organisierte Liberalismus in Deutschland als für unser demokratisches Staatswesen unabdingbare Institution anerkannt. Die FDP muss verinnerlichen, die politische Freiheit nicht als Zumutung verkommen zu lassen, sondern als Chance zu begreifen.