Entwurf für eine Grundsatzdiskussion der FDP OV Groß-Umstadt

- Auflage, OV Groß-Umstadt
Groß-Umstädter Manifest für ein liberales Grundsatzprogramm
Vorwort
In unserem Ortsverband wird schon seit Längerem darüber
nachgedacht, dass die innere Einstellung der FDP der äußeren
Darstellung nicht entspricht. Zahlreiche Mitglieder wissen mit dem
Begriff „Liberalismus“ nicht so recht etwas anzufangen, seine
Definition stößt auf Unkenntnis. Das daraus resultierende
unterschiedlich bis diffuse Bild auf allen Parteiebenen verlangt
geradezu ein neues, verständliches, allen grundsätzliche Orientierung
bietendes Grundsatzprogramm. Die „Freiburger Thesen“ sind seit
langem überholt, die „Karlsruher Thesen“ unbekannt. Deshalb
nachfolgend die Überlegungen für ein neues Grundsatzprogramm,
folgend auch dem Aufruf unseres Bundesvorsitzenden Christian Dürr.
Ein solches sollte sich auf die Darstellung der Kernelemente des
Liberalismus im Unterschied zu den anderen gesellschaftlichen
Richtungen beschränken – zu Sozialismus/Kommunismus und
Konservativen. Aktuelle politische Lösungsansätze – ob in Bildung,
Energie, Haushalt/Finanzen, Wohnungsbau u.a.m. – gehören in
Leitsätze/Leitanträge, denn an ihnen muss ständig gearbeitet, etwa
angepasst werden. Ein Grundsatzprogramm muss auf seine
langfristige Bedeutung hin ausgerichtet sein.
Es muss – unabhängig von der Tagespolitik – die Wertebasis des
Liberalismus aufzeigen und sollte deshalb nicht überladen werden.
Mögen die Überlegungen aus unserem Ortsverband dafür Anregung
und Richtschnur sein.
Groß-Umstadt, im Juni 2025 Heiko Listner, Ortsvorsitzender
Überlegungen zum Liberalismus 2025
Folgender Entwurf für eine Grundsatzdiskussion / OV Groß-Umstadt
Am 23.Februar 2025 schied der organisierte Liberalismus in
Deutschland zum zweiten Mal in der Nachkriegsgeschichte aus dem
Deutschen Bundestag aus. Schuld daran war sicherlich das Festhalten
an der bislang in der deutschen Politikgeschichte einmaligen Ampel-
Koalition von SPD/Grünen und FDP trotz des Haushaltsurteils des
Bundesverfassungsgerichtes, das dieser Koalition die finanzielle
Vereinbarungs-Grundlage entzog. Aber es gab auch hausgemachte
Fehler, einen überforderten Generalsekretär und eine uneinige
Bundestagsfraktion. Die FDP sollte sich in Zukunft wieder auf ihre
eigenständige Grundüberzeugung konzentrieren. Es darf kein Zweifel
daran aufkommen, dass die Partei der Eigenverantwortung das
grundsätzliche Verhältnis von Staat und Individuum im Allgemeinen
richtig löst. Der Mensch ist seiner Natur nach und durch Bildung
fähig, seine Angelegenheiten im Rahmen allgemeiner Regeln mit
seinen Mitmenschen auf Augenhöhe zu erledigen. Er braucht dazu
weder den allmächtigen Sozialingenieur, noch den alles lenkenden
Leviathan, um seinen Weg des Strebens nach Glück mit Anstand zu
gehen.
Entziehen muss sich die FDP zukünftig dem Links-Rechts –Schema.
Dieser Spaltpilz wurde seit dem 19. Jahrhundert immer wieder in die
liberale Bewegung hineingetragen. Die Gründungsidee nach dem 2.
Weltkrieg war der Gegenentwurf. Statt Deutsche Demokratische
Partei (DDP) und Deutsche Volkspartei (DVP) nur noch eine liberale
Partei für alle Liberalen. Es darf nie wieder heißen: „Die FDP, das sind
ja zwei Parteien und man weiß nicht, welche man nach einer Wahl
bekommt“. Wenn das gelingt, wenn die Kernbotschaft des
Liberalismus auf allen Ebenen einig überzeugend nach außen
getragen wird, dann muss einem um die FDP nicht bange sein.
Sie wird die Bürger überzeugen, wenn sie weiß warum. Die rasende
gesellschaftliche Beschleunigung kann nicht dazu führen, dass der
Liberalismus seine als grundlegend richtig erkannten Überzeugungen
über Bord wirft. Er wäre eine hohle Veranstaltung, wenn ihre
Vertreter den Bürgern in stürmischen Zeiten nicht mehr zu erzählen
hätten, als dass der Ozean wieder ruhig ist, wenn der Sturm sich
gelegt hat. Das Alte auf neue Weise zu tun – das ist Innovation.
Die FDP als einzige Alternative für Deutschland
Liberalismus heißt:
„Einsatz für größtmögliche Freiheit des einzelnen Menschen und
Wahrung der menschlichen Würde in jeder gegebenen oder sich
verändernden gesellschaftlichen Situation.“
Diese einprägsame Definition von Karl Herrmann Flach, des ersten
Generalsekretärs der FDP, gilt unverändert. Liberalismus ist immer
und „per se“ sozial, sonst wäre die „ Menschenwürde“ des
Grundgesetzes lediglich eine politisch nicht einsetzbare Phrase. Von
„Sozial“ zu unterscheiden ist aber „Solidarität“. Solidarität wird als
Zusammenhalt unter Gleichen begriffen, als Miteinander, als eine Art
des Zusammenlebens, des zusammen Gestaltens, während soziale
Wohltätigkeit Unterstützer und Unterstützte immer in eine
hierarchische Relation bringt. Für den Liberalismus ist Solidarität ein
Element der bürgerlichen Freiheit.
Die Wesensmerkmale des Liberalismus: Freiheit und Solidarität
I. Die Freiheit
1) Freiheit bedeutet nicht nur, sich aus den Fesseln von Gewalt und
Unterdrückung zu lösen, sondern auch frei von über sein Schicksal
bestimmen, Chancen wahrnehmen zu dürfen. Darüber besteht aber
kein Konsens in der intellektuellen Welt. Sozialisten aller
Schattierungen halten staatliche Eingriffe in das Leben von Menschen
für freiheitsfördernd (Neue Sprache gegen die Vorherrschaft des
Mannes, vulgärer Feminismus, Bürgergeld für jeden der nicht
arbeiten will, Vorschriften für richtige Ernährung, Klima-Weltrettung
als historisch-moralische Aufgabe). Das Fatale daran ist, dass sie diese
im Namen der Demokratie verkaufen. Nur wer ihre Regulierungen
akzeptiert, ist Demokrat.
Nicht die offene, freilich regelgebundene Gesellschaft, sondern eine
Gesellschaft gleicher Gesinnung gilt als das korrekte Weltbild. Damit
stellen sie die demokratische Rechts- und Staatsidee der liberalen
Aufklärung auf den Kopf. Sie wollen Freiheit aus der Gleichheit
ableiten, nicht die Gleichheit aus der Freiheit. Den Vorrang der
Gleichheit braucht man nicht, weil wir alle gleich wären. Weil wir es
eben nicht sind, braucht die Freiheit den Vorrang, die Gleichheit der
staatsbürgerlichen Rechte herstellen zu können. Das Eintreten derer,
die sich auf diesen Vorrang der Freiheit berufen, wird jedoch als
Bedrohung der Demokratie gebrandmarkt. Parlamentarische
Entscheidungen werden nur mit dem Siegel der Unbedenklichkeit des
Zeitgeistes als demokratisch angesehen.
Damit einher geht die gesellschaftlich polarisierende schwarz-weiß-
Kultur der rechten und linken Radikalparteien, für die nur ihre ewig
gestrige Selbstwahrheit als zustimmungsfähig gilt, alles Andere als
nicht zu beachten, verräterisch, unfair.
Dass mit dieser Rigorosität der freiheitlich-demokratische Rechtsstaat
in Gefahr gerät, kommt den Moralegoisten nicht in den Sinn. Die
individuelle Freiheit als Voraussetzung für die Produktivität und
Innovationskraft einer Gesellschaft – die gewöhnliche Menschen
dazu bringt, für ihre Mitmenschen Ungewöhnliches zu leisten –
Eigentumsrechte und Vertragsfreiheit werden moralisierendem, nur
eigenen Vorstellungen applaudierendem Konformitätsdruck
ausgesetzt.
Diese Absicht, die „Republik der Bürger“ durch eine „Fan-Republik
des Eigennutzes“ zu ersetzen, gilt es zu entlarven, denn Eigennutz
und Gemeinnutz müssen Hand in Hand gehen. Kein Unternehmen
wird überleben, wenn es seine Kunden, Mitarbeiter und Ressourcen
rücksichtslos ausbeutet und umgekehrt wird eine Gesellschaft ihren
Wohlstand verlieren, wenn sie ihren Unternehmern den Freiraum
nimmt.
2) Freiheit des Liberalismus heißt nicht Schrankenlosigkeit in Tun und
Lassen wie es gerade gewollt wird und einfällt. Die Freiheit des
Einzelnen, die Wahrung des Einzelinteresses endet dort, wo die
Freiheit eines Anderen eingeschränkt wird. (Französische „Erklärung
der Menschenrechte“ von 1789: „Alles tun können, was einen
anderen nicht schädigt“). Anders ist anständiges Miteinander nicht
denkbar. Wahrung des menschlichen Individualinteresses, um das es
dem Liberalismus geht, bedeutet eben auch eine Rücksichtnahme auf
die Interessen der Allgemeinheit, mit denen es allen besser gehen
würde. Von diesen Einzelinteressen zu differenzieren sind einzelne
Gruppeninteressen, die durch eine rücksichtslose Wahrnehmung
ihrer interessengebundenen Freiheit das Allgemeininteresse aus dem
Blick verlieren. Links- und rechtsideologisches Vorteilsdenken hat es
geschafft, die Förderung des allgemeinen Interesses durch
bürokratische Finessen zugunsten von Gruppeninteressen (Mensch,
Tier, Natur) fast vollständig zu blockieren. Spezielle Interessen
wahrenden Ämtern wurde eine Eingriffsmacht zugestanden, die das
Gesamtinteresse unberücksichtigt lassen kann. Verbände, die nur
ihren eigenen Interessen verpflichtet sind, dürfen mit Hilfe von
Abgeordneten und – getarnt als „Träger öffentlicher Belange“ – an
der Ausgestaltung allgemeinverbindlicher Regulierungen mitwirken
und sind natürlich vor allen daran interessiert, durch Aufbau
bürokratischer Hürden ihre ideologischen, vor allem aber finanziellen
Pfründe und Einflussmöglichkeiten zu sichern und Verantwortlichkeit
abzuwehren. Der Wahn von angeblich nützlichen Zertifizierungen,
spezielle Zulassungen für Kranken- und andere Transporte,
exorbitante Kosten für den Erwerb eines Kfz-Führerscheins, die
Vorrangstellung von DIN-Normen etwa sind so zu erklären.
Aber im Namen der Freiheit demokratische Freiheiten
einzuschränken ist sehr heikel.
Denn so wächst die Bürokratie über ihre Rolle als Teil der exekutiven
Gewaltenteilung in der Demokratie hinaus zu einer eigenständigen
Administrativen, die nicht den Bürgern dient, sondern vor allem sich
selbst.
II. Die Solidarität
Dem setzt der Liberalismus das Streben nach solidarischem Verhalten
entgegen. Denn wenn alle in unserem Land Freiheit, Wohlstand,
Sicherheit, soziale Hilfestellung als grundlegende Gemeinsamkeit
akzeptieren, müssen Gruppeninteressen ihr Vorteilsstreben
zurücknehmen. Wer Freiheit will, darf sie nicht durch die eigenen
Interessen gefährden. Nur, wenn alle bereit sind zu geben, damit
auch andere geben, hat die Freiheit der Bürger unter einer
demokratischen Verfassung eine Chance. Alle müssen – gemessen an
der jeweiligen gesellschaftlichen Situation – etwas beitragen, die
einen durch Kapital, andere durch mehr Arbeit, Ältere durch Verzicht
auf gewohnheitsverwahrloste Standards, Jüngere durch Wehr- oder
Gesellschaftsdienst, die ältere Generation durch Rücksichtnahme auf
die Belange der ihr nachfolgenden. Für Liberale genießen Anstand,
Herz und Charakter Vorrang gegenüber unbedingtem Streben nach
Erfolg und anmaßender Politik.
Ein liberal geprägter Staat muss deshalb die Stärke haben, sich vom
Einfluss der Gruppeninteressen, dem Massenpopulismus der
Verbände, Organisationen freizuhalten.
Immer, wenn sich Interessengruppen – egal welcher Couleur – zur
Durchsetzung ihres Einflusses als Verfechter der wahren Demokratie
aufgespielt haben, ist es für den demokratischen Rechtstaat
gefährlich geworden.
Freilich bedeutet Freiheit auch: Freiheit zum Nichtstun. Aber auch
insoweit gilt: Die Freiheit des Nichtstuns endet da, wo sie zu Lasten
Anderer geht, wo sie unsolidarisch wird. Liberale Politik muss sich
gegen den Einzug des Unseriösen in das Freiheitsideal zur Wehr
setzen, denn die Geschichte lehrt was dabei herauskommt, wenn
man das Geschehen gescheiterten Postkartenmalern, Junkies,
verkrachten Bohemiens, der ungebildeten Halbwelt überlässt.
Freiheit und soziale Marktwirtschaft
Freiheitliche Demokratie kann auch durch einen für- und
vorsorgenden Staat bedroht werden. In Deutschland gibt der Staat
bereits mehr als ein Drittel des Bruttoinlandsproduktes für soziale
Zwecke aus, darunter leistungsloses Bürgergeld. Dieser Anteil wird
nach dem Ende der Schuldenbremse rapide Fahrt aufnehmen. Neue
Schulden führen nicht nur zu zusätzlichen Zinsen in den Folgejahren
und erhöhen damit die Deckungslücke, sie bewirken ja auch die
Erhöhung der Zinsen für Altschulden. Der Kapitalmarkt „bestraft“ die
weitere Verschuldung mit höheren Zinsen und Herabstufung der
Kreditwürdigkeit. Zinsen werden so mit Zinsen finanziert – eine
Zinsspirale mit möglicherweise katastrophalen Folgen. Der Staat
muss immer mehr Geld hereinholen, um Probleme zuzukleistern, das
Wahlvolk besänftigen und unproduktive Kosten (Schulden/Zinsen)
begleichen zu können.
Aber ein demokratischer Staat muss mittel- und langfristig seine
Ausgaben mit laufenden Einnahmen finanzieren, sonst geht ihm auch
international die gestaltende Leistungskraft verloren.
Der staatsgläubig aufgeplusterte Staat verteilt planwirtschaftsartige
Subventionen und alimentiert mit vollen Händen. Selbst
Nichtregierungs-Organisationen (NGO) und Bürgerinitiativen können
kassieren und sind Nutznießer. Eine Verweigerung oder gar
Rückführung wird als antidemokratisch gegeißelt und staatsgläubigen
Parteien fehlt die Kraft für verweigernde und rücknehmende
Reformen.
Damit wird klar: Staatsziel bei Sozialisten und Konservativen ist die
Machtsicherung ihrer Regentschaft durch Wohlfahrtsvergabe. Mit
Verfügungsgewalt über gesetzlich ungebremste Mittel können die
Regierenden Bürger und Institutionen mit immer neuen Auflagen zu
ihren Gunsten regulieren. Der rechtfertigende Vorwand, damit die
Demokratie gegen Verlockungen von Revolution und Reaktion
abzusichern fällt spätestens dann in sich zusammen, wenn der
Kapitalmarkt die Auswüchse des Wohlfahrtsystems in Frage stellt.
Demgegenüber scheinen Liberale mit ihren Argumenten von
Schuldenbremse, Finanzdisziplin, Deregulierung und Steuerabbau
zwischen allen Stühlen zu sitzen. Der liberale, machtbegrenzte Staat
der Aufklärung – mit Gewaltenteilung, Pressefreiheit, Rechtsstaat,
Wettbewerb und offenen Märkten als Friedensordnung – droht im
modernen Versorgungsstaat aufzugehen. Um dem entgegen zu
treten, ist die FDP die einzige und eigentliche Alternative für
Deutschland.
Es gibt neben ihr nur staatsgläubige Parteien, von denen keine der
liberalen Maxime folgt: Ohne soziale Marktwirtschaft keine
Demokratie. Die neue Feindseligkeit gegen die Demokratie, die in
ihrer Abwägung verschiedener Ziele zu langsam bei der Bewältigung
des Klimawandels sein soll, leugnet und verkennt vollständig die
Erfahrung der letzten Jahrhunderte, dass die Marktwirtschaft in
ständig angepasstem Rahmen immer der beste Mechanismus für
Problemlösungen in der Demokratie war. Jede Form
planwirtschaftlicher Tendenz hat – überall auf der Welt nachweisbar–
das Potential, demokratische Gesellschaften in illiberale, autoritäre
Regime zu verwandeln. Wirtschaftliche Freiheit ist die Vorbedingung
für jede andere, auch für die politische. Oder anders gesagt: Wer
staatliche Einflussmacht will, dem muss die individuelle Freiheit
einer Marktwirtschaft egal sein.
Für staatsgläubige Parteien ist vorrangig: Freiheit durch staatlich
Einfluss nehmende Wohlfahrt. Sie haben die Bürger daran gewöhnt,
soziale Leistungsempfänger zu sein und das als „Freiheit“ zu
begreifen. ‚Mir und meinen Interessen muss es gut gehen, sonst
muss der Staat ran. Die steigenden Kosten eines solchen Nanny-
Sozialstaates sind dann nur planwirtschaftlich in den Griff zu
bekommen. Man kann nicht an allen Schrauben einer
volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (Wachstum,
Vollbeschäftigung, Geldwertstabilität, außenwirtschaftliches
Gleichgewicht) gleichzeitig drehen. Eine vorzuziehen bedeutet die
anderen zurückziehen, es sei denn, man will die jede Demokratie
gefährdende und unsozialste aller Erscheinungen heraufbeschwören:
Die anti-freiheitliche Inflation. Planwirtschaftliches Regieren geht
nun einmal nicht ohne Einschränkung bürgerlicher Freiheiten.
Noch eine Chance für die Liberalen
Wenn Umverteilung zum Wirkprinzip sozialer Gerechtigkeit
avanciert, setzt ein Wettbewerb aller gegen alle ein. Jeder hat Angst,
zu kurz zu kommen. Von „Wohltaten“ verteilenden Politikern kräftig
gefördert, bringt der Sozialstaat damit am Ende jene Ellenbogen-
Gesellschaft hervor, die zu schleifen er vorgibt. Zielvorstellung wird
so der Traum vom sozialistischen Versprechen der Utopie des
Schlaraffenlandes, die nur noch etwas Geduld erfordere.
Liberale werden dem energisch entgegentreten. Der Moralismus
eines solchen Sozialstaates macht süchtig und verdirbt den
Charakter, nicht der Liberalismus, den die Staatsgläubigen gerne mit
dem Begriff „Neo-Liberalismus“ als reinen Kapitalismus zu
diskreditieren suchen. Sie übersehen geflissentlich, dass Kapitalismus
seit dem Frühkapitalismus des 16. Jahrhunderts immer an politischer
Macht hängt und deshalb keinen freien Markt, keine „Soziale
Marktwirtschaft“ bedeuten kann. Er nutzt bis heute nur den autoritär
Herrschenden, um deren Einfluss und Luxus zu finanzieren.
Der FDP wird das antikapitalistisch- liberale Grundwasser nicht
abgehen, das unterhalb aller politischen Strömungen ruht. Rückbau
staatlicher Aufgaben, Haushaltskonsolidierung, weniger
Staatswirtschaft, Abbau von Regulierungen und Bürokratie,
Steuersenkungen, mehr Markt und Eigenverantwortung in den
sozialen Sicherungssystemen, jedwede Anerkennung von
Leistungsbereitschaft müssen positiv als Alleinstellungsmerkmal
vertreten werden. Der vernebelte Begriff „Freiheit“ verdient die
ständige Verdeutlichung durch eine Partei, die sich für ihren
absoluten Vorrang einsetzt.
Die FDP war immer eine Minderheitspartei. Der Zuspruch für den
Liberalismus hielt sich in Deutschland stets in Grenzen – zum Teil
auch aus eigenem Verschulden. Aber ihr Mitwirken im politischen
Betrieb, die bisweilen harte Durchsetzung ihrer Grundüberzeugung,
hat Wohlstand für alle gefördert, die Regeln demokratische
Zuverlässigkeit und Frieden bewahrt, die Wiedervereinigung
entscheidend voran gebracht und radikale Einflussnahme verhindert.
Die liberale Offenheit, die eine eigene Lebensgestaltung und das
wohlstandsfördernde Spiel von Handel und Tausch. Angebot und
Nachfrage einem Raum von Wettbewerb übereignet, behagt nicht
unbedingt jedem Bürger. Die Zumutung einer freien Gestaltung des
Lebens ist nicht jedermanns Sache, schon gar nicht, wenn dem Staat
dadurch ein gewisses Maß an Abstinenz verordnet werden soll. Da
hat es der Antiliberalismus leicht, kübelweise staatsbürgerliche Moral
auszuschütten mit für den Bürger positiv verständlichem Inhalt.
Liberale können darauf verweisen, welchen Freiheits- und
Wohlstandsgewinn Europa durch die Aufklärung erfahren hat und
dass es Pfiff dieser Aufklärung war, Privilegien zu beseitigen und den
Fähigen das Recht zu geben, die Reichen zu entmachten.
Überall, wo der Staat als Akteur des Kapitalismus auftritt, die
Menschen damit in Abhängigkeit bringt, ihnen so ein Stück ihrer
Freiheit nimmt (im Wohnungsbau, in der Energiewirtschaft, im
Gesundheitswesen), steht es Liberalen gut an, nach der Sinnhaftigkeit
zu fragen. Es ist besser, von bürokratischem Ballast zu befreien als zu
bestimmen.
Gleiches gilt für die Sektoren, auf deren Bestand staatlicherseits
entscheidend Einfluss genommen wird (Kranken- und
Rentenversicherung, Sozialverbände, Öffentlicher Personen-
Nahverkehr). Staatlichen Leistungen müssen deren tatsächlichem
Zweck zufließen, nicht in vorrangigem Maße deren Verwaltung
zugutekommen.
In schwierigen Lagen werden sich Konservative im Zweifel für die
Sicherheit, Sozialisten im Zweifel für die Gleichheit, Liberale aber
immer für die Freiheit entscheiden. Diese Gewissheit wird alle
Zeitläufe überdauern.
Nachtrag:
Sich vor allem als Mehrheitsbeschaffer, und als „Bremser am
Fahrzeug“ stilisieren zu lassen, stellt keine Alternative zum
wohlfahrtsstaatlichen Sozialismus dar, in dem sich Konservative und
Sozialisten aller Schattierungen nahe stehen.
Gelingt es, die begründete Abwägung dazu positiv zu verdeutlichen,
wird der in der FDP organisierte Liberalismus in Deutschland als für
unser demokratisches Staatswesen unabdingbare Institution
anerkannt. Liberale müssen verinnerlichen, die politische Freiheit
nicht als Zumutung verkommen zu lassen, sondern als Chance zu
begreifen.
Groß-Umstadt, im Juni 2025 Dr. Fritz Roth
P.S: Zur Entstehungsgeschichte dieses Beitrages:
Ausgangspunkt war mein Buch „Der organisierte Liberalismus in
Deutschland zu Beginn des 21. Jahrhunderts“ erschienen 2006. Dazu
kamen jahrelang gemachte Notizen. Nobelpreisträger August von
Hajek („Wege in die Knechtschaft“), Wolfgang Zundel, Hauptstadt-
Korrespondent der „Zeit“ („Die Erben des Liberalismus“), Karl-
Herrmann Flach („Noch eine Chance für die Liberalen“) sowie die
Beiträge von Udo di Fabio (FAZ), Herbert Prantl (Süddeutsche
Zeitung), Heinz Joffe (Die Zeit), weiterhin die Kolumnen von Rainer
Hank (FAS) und Jan Fleischhauer (Focus) haben gewissermaßen
mitgeschrieben.