Das „Wunder von Rednitzhembach“
FDP-Fraktion besucht Null-Euro-Schulden-Gemeinde südlich von Nürnberg
„Wer etwas will, sucht Wege, wer etwas nicht will, sucht Gründe!“ hängt an der Pinnwand des Arbeitszimmers von Bürgermeister Jürgen Spahl, kein Wunder, dass sein Erfolgsmodell anfangs nur auf Kopfschütteln oder Ablehnung stieß. Vor allem die „Großkopferten von CSU und SPD“, die bei jeder passenden und unpassenden Gelegenheit über die Ebbe in den öffentlichen Kassen klagten, die reihenweise Kindergärten und Schwimmbäder schlössen, die Investitionen zurückstellten und kräftig an der Gebührenschraube drehten, hätten ihn anfangs mit einer Mischung aus Neid und Unbehagen betrachtet. „Würden diese Herrschaften dieselbe Energie aufbringen, wie für ihre Erklärungsversuche, warum was nicht geht, dann wäre es um die Gemeindefinanzen in Deutschland besser bestellt.“
Gastfreundlich, als hätte er samstags nie etwas anderes vor, sitzt der gelernte Diplom-Verwaltungswirt und ehemalige Bauamtsleiter der Gemeinde in seinem Amtszimmer und beantwortet bereitwillig unsere ungläubigen Fragen nach seinem Erfolgsrezept, das sich dann aber so gar nicht als unerklärliches Wunder, sondern im Gegenteil als uneingeschränkt transparent und für jeden nachvollziehbar erweist. Da man die Einnahmen nur schwer oder gar nicht erhöhen könne, müsse man eben die Ausgaben auf den Prüfstand stellen, einen „Kassensturz ohne Wenn und Aber und ohne Schönrederei“ durchführen und dann die Entschuldung beharrlich Schritt für Schritt aus vielen kleinen Mosaiksteinchen zusammensetzen, natürlich „ohne Reduzierung der Qualitätsstandards“. Dazu brauche es zunächst einmal nüchterne Überzeugungsarbeit, denn die „Zweifler und Zauderer im eigenen Laden“ und die Bevölkerung müssten mitgenommen werden. Nur aus dem Verstehen wachse die Bereitschaft, Änderungen mitzutragen und das Steuer herumzureißen. Natürlich müsse man dann auch das „Kreuz haben, die Veränderungen durchzudrücken“.
Zum Konzept des „Schuldendompteurs von Rednitzhembach“ (so die taz) gehören neben der Privatisierung öffentlicher Dienstleistungen, was die „Strukturkonservierer von CSU und SPD“ anfangs besonders verschreckt habe, auch die Gründung einer gemeindeeigenen GmbH, was das Vergabewesen vereinfache und Steuervorteile mit sich brächte, und ein Umdenken im Personalbereich. Ohne eine einzige Stelle abzubauen, habe er hier Kosten eingespart, allein durch flexiblere Stellenpläne und Mitarbeitermotivation. „Mehr Geld motiviert nur kurzfristig, mehr Verantwortung und größere Entscheidungskompetenz erhöhen die Freude an der Arbeit dauerhaft“, so dass Entbürokratisierung durch kurze Wege in der Verwaltung und ein niedriger Krankenstand zur zeitnahen Erledigung der Arbeit und mehr Bürgerzufriedenheit führen würden. „Verbesserung der wirtschaftlichen Situation der Gemeinde bei gleichzeitiger Entlastung der Bürger“, das sei das Ziel.
„Prüfung“ steht auf einem der Türschilder im Rathaus, dessen Wände fast lückenlos mit Urkunden und Auszeichnungen als Best-Practice-Beispiel bestückt sind. „Welche Prüfungen nehmt ihr denn hier ab?“, frage ich, neugierig wie Lehrerinnen lebenslang bleiben. Spahl lacht und lässt uns einen Blick in das Büro werfen, in dem außer einem großen Rechner nichts auf Mitarbeiternutzung hinweist. „Weil niemand glaubt, dass es hier mit rechten Dingen zugeht, unterliegen wir ständig irgendwelchen Prüfungen“, erklärt er nicht ohne Stolz. „Deshalb stellen wir den Prüfern ein eigenes Büro zur Verfügung, da stören sie den Betrieb am wenigsten!“
Das Bild zeigt die kleine FDP-Fraktion mit Klaus Scheuermann, Helga Berthold und Margarete Sauer (von rechts) neben Bürgermeister Spahl auf dem Plateau des neuen Biergartens an der Rednitz, dessen Attraktion ein Mülleimer ist, der sich selbsttätig im Rathaus meldet, wenn er geleert werden muss. So fährt kein Mitarbeiter des Bauhofs nach verregneten Wochenenden umsonst hinaus, aber bei Hochbetrieb manchmal auch jemand ein zweites Mal, kein Wunder, dass alles so neu, aufgeräumt und sauber wirkt. „Ein Gag“, räumt der ideenreiche Bürgermeister ein, aber zurzeit wisse er eben auch nicht, was mit den 18 Millionen in der Rücklage geschehen solle. Vielleicht hätten wir uns doch trauen sollen, die Kontonummer von Groß-Umstadt anzugeben?