Mein Wunsch …

10.07.2021

Als neue Fraktionsvorsitzende der FDP in der Stadtverordnetenversammlung habe ich zu Beginn der Legislaturperiode 21-26 pflichtbewusst alle Konstituierenden Sitzungen der 5 parlamentarischen Ausschüsse persönlich besucht: den Jugend- und Sozialausschuss am 11.05., noch am gleichen Abend den neu titulierten Ausschuss für Klima, Energie und Umwelt, den für Stadtentwicklung und diverse andere Schwerpunkte zuständigen Ausschuss am 18.05. sowie am 20.05., wieder im Doppelpack, den Ausschuss für Stadtmarketing, Kultur und Sport sowie den Haupt- und Finanzausschuss, ein Sitzungs- Marathon, der aber dadurch erleichtert wurde, dass die Tagesordnungen dieser ersten Sitzungen nicht nur erfreulich kurz, sondern auch weitgehend ritualisiert aussahen. Die Wahl des Vorsitzenden, seines Stellvertreters und die Wahl der Schriftführung stehen ordnungsgemäß am Anfang jeder Tagesordnung, Tagesordnungspunkte, die, bis der/ die neu gewählte Vorsitzende die Sitzungsleitung übernimmt, vom Stadtverordnetenvorsteher selbst moderiert werden.
Natürlich wäre es jetzt ein Leichtes, auch bei dieser Gelegenheit dessen auf langjähriger Erfahrung gründende Souveränität zu loben, aber die routinierte Rhetorik verstärkte für mich vor allem den Eindruck der Farce, die sich hinter diesen Abläufen verbarg. Natürlich wunderte es niemanden, dass als Wahlvorschlag 1 jedes Mal ein Kandidat der neuen SPD-CDU-Koalition aufgestellt wurde und mit eben solcher Regelmäßigkeit ein oder mehrere der drei Oppositionsparteien einen Gegenkandidaten als Wahlvorschlag 2 zur Abstimmung brachten – ein Verfahren, das sich auch bei der Wahl des stellvertretenden Vorsitzenden wiederholte. Und mit nahezu mechanischer Selbstverständlichkeit wurde auch das Ergebnis der geheimen Wahlgänge verkündet: 5 x Wahlvorschlag 1 und 4 x Wahlvorschlag 2.
Man verstehe mich nicht falsch, ich will hier nicht erneut das demokratische Mehrheitswahlrecht in Frage stellen und schon gar nicht die Diskussion über „richtige“ Wahlen und gewünschte Ergebnisse wiederaufleben lassen. Und ich glaube sogar, dass z. B. mit Herrn Pfau, dem Winzer und Besitzer der Lohmühle, ein kompetenter Lenker für Fragen des Stadtmarketings und der Kultur gefunden wurde – was auch uneingeschränkt für seine Vertreterin Frau Holzapfel gilt. Aber würde sich eine starke Regierung wirklich etwas vergeben, wenn bei einem oder zwei Ausschüssen, die ja nichts entscheiden, sondern nur vorberaten, ein Vertreter, eine Vertreterin zum Zuge käme, der für die Sache „brennt“? Ein Vertreter, eine Vertreterin von Bündnis 90/ Die Grünen da, wo es um „Klima, Energie und Umwelt“ geht? Vielleicht ein Landwirt da, wo die Landwirtschaft im Namen des Ausschusses vorkommt? Brauchen wir bei der Vorbereitung der Beschlüsse nicht Vordenker und Visionäre anstelle der partei-disziplinierten Verwalter? Es würde die Wähler sicher positiv für die Kommunalpolitik einnehmen, wenn solche Souveränität (wieder) ein Markenzeichen der politischen Kultur würde.
Margarete Sauer